Publikationen
Claudia Füßler
Qualifizierungskurse
Neue Perspektiven und Bestätigung für die Arbeit
Die Stadt Freiburg schickt alle Seiteneinsteiger der Schulkindbetreuung in zweijährige
Qualifizierungskurse. Teilnehmer profitieren von neuem Wissen und gestärktem
Selbstbewusstsein.
“Es war eine großartige Chance, um in die Schulkindbetreuung richtig reinzukommen“, lautet
das Fazit von Karin Kirschvink. Zwei Jahre lang hat die gelernte Ergotherapeutin sich parallel zu
ihrer Arbeit an insgesamt 40 Tagen gemeinsam mit anderen Seiteneinsteigern zur Fachkraft in
der Schulkindbetreuung qualifizieren lassen. Seit 2017 arbeitet sie im Betreuungsbereich einer
Freiburger Grundschule. Die Verwaltung der Stadt im Breisgau verpflichtet alle Seiteneinsteiger
ohne pädagogische Ausbildung zur Teilnahme an diesem Qualifizierungsprogramm. „Sehr
kompakt, anstrengend und interessant“, sagt Karin Kirschvink, seien die Tage gewesen. Sie hat
20 Jahre lang in einem Krankenhaus gearbeitet und dabei viel mit geriatrischen Patienten und
Demenzkranken zu tun gehabt. „Ich konnte da erstaunlich viele Parallelen ziehen“, berichtet sie.
Im Umgang mit Kindern fühlte sich Kirschvink eigentlich schon vorher kompetent. Ihre ersten
Erfahrungen in der Grundschule, in der sie seit 2017 arbeitet, sind positiv. Sie bekommt viel
Unterstützung von der Leitung und dem gesamten Team. Dennoch habe ihr die Weiterbildung
viel gebracht, sagt sie. „Ich fühle mich bestärkt in dem, was ich tue, und habe den Austausch mit
Kolleginnen sehr genossen. Da hat jede ganz andere Erfahrungen aus ihrem jeweiligen Bereich
eingebracht.“
Herausforderung für Dozenten
Dieses breite Feld ist einerseits bereichernd für die Teilnehmerinnen – andererseits aber eine
enorme Herausforderung für die Dozenten. „Wegen der großen fachlichen Diversität war der
Aufbau von gegenseitigem Vertrauen eine enorm wichtige Aufgabe“, sagt Ulrike Glöckner von
der impulse- Akademie, die die Grundlagenqualifikation im Auftrag des Amtes für Schule und
Bildung der Stadt Freiburg entwickelt und durchgeführt hat. „Wir wertschätzen das, was jede
bisher in ihrem Leben geleistet hat, und versuchen alle mit den behandelten Themen dort
abzuholen, wo sie stehen, ohne dabei zu über- oder zu unterfordern.“
Es gilt eine Menge an Theorie- und Praxiskenntnissen zur mittleren Kindheit und zur
Schulkindbetreuung zu vermitteln. Die Dozenten orientieren sich an aktuellen
Forschungsergebnissen aus der Neurobiologie und der Entwicklungspsychologie. „Besonders
wichtig ist es uns, ein pädagogisches Selbstverständnis zu erarbeiten. Jede Teilnehmerin muss
auch bereit sein, sich selbst und ihre Arbeit zu hinterfragen“, erklärt Glöckner. Gerade hat die
dritte Gruppe mit der Qualifizierung begonnen. Glöckner und ihr Team haben aus den ersten
beiden Runden gelernt, hier und da ein wenig nachjustiert. „Das Feedback der bisherigen
Teilnehmerinnen war enorm wertvoll“, sagt Glöckner, „so entwickeln wir jetzt langsam so etwas
wie Routine.“
Gleiche Bildungschancen für alle
Die positiven Rückmeldungen der Seiteneinsteiger seien beachtlich, lobt Hermann Maier, Leiter
des Amtes für Schule und Bildung. Das Erfolgsrezept beruht seiner Meinung nach auf zweierlei:
Die Teilnehmer fühlen sich bestärkt, dass die eigene Arbeit gut und richtig ist. Aber die Kurse
vermitteln auch neue Perspektiven und Ideen. „Den Austausch in der Gruppe sehen alle als sehr
gewinnbringend an“, berichtet Maier. Auch für die Stadt ist die Trägerschaft der
Schulkindbetreuung eine recht neue Aufgabe. „Wir wollen ein pädagogisch reflektiertes
Angebot, das die Stärken eines Kindes sieht und es voranbringt“, beschreibt Maier die
Herausforderung. Weder sollen die Kinder nach dem Unterricht „nur betreut“ werden, noch soll
der Schulvormittag einfach fortgesetzt werden. Das Spiel ist ein wichtiges Element des
Nachmittags, das aber mit Bildungsangeboten angereichert werde – eine Herausforderung für die
entsprechenden Teams. „Zumal es diesbezüglich bisher wenige Forschungsergebnisse gibt zu
Kindern zwischen sechs und zehn Jahren“, sagt Maier. Die Stadt Freiburg habe den Anspruch,
unabhängig von der Herkunft jedem Kind gute Bildungschancen zu bieten. Dabei spielt das
außerschulische, also das nonformale Lernen eine große Rolle. „Ich hoffe, dass es uns
mittelfristig gelingt, ein ganztägiges Bildungsangebot mit integrierter Betreuung zu schaffen“,
sagt Maier.
Gabriele Leitner* verfügt dafür mittlerweile über viel theoretisches Wissen. Die gelernte
Sozialwissenschaftlerin schätzt an den gerade abgeschlossenen zwei Jahren der Qualifikation vor
allem die praktischen Inhalte. „Welche Möglichkeiten habe ich mit Musik, Tanz und Bewegung?
Mit welchen Materialien kann ich arbeiten? Welche Experimente bieten sich an? Hier habe ich
Antworten auf all diese Fragen gefunden, weil hier so viele Menschen mit ganz verschiedenen
Lebensund Praxiserfahrungen zusammengekommen sind“, lautet ihr Fazit.
Dass die Qualifikation inspirierend wirkt, hat auch Edith Gärtner erlebt: „Es ist einfach toll,
wenn Leute aus dem Kurs kommen und vor Ideen nur so sprudeln“, sagt die Sozialpädagogin
und Leiterin des Erzieherteams an der Freiburger Tullaschule. Sie sieht das
Weiterbildungsprogramm nicht nur als Hort kreativer Ideen, sondern auch als Bestätigung für die
Betreuer. „Es gibt vielen noch einmal mehr Selbstbewusstsein, wenn sie merken, dass ihre Arbeit
mit den Kindern Hand und Fuß hat.“ Gärtner freut sich über jeden, der mit neuen Anregungen
zurück in die Schule kommt: „Wir greifen eine Menge auf, bei uns versickert nichts.“
* Name auf Wunsch der Teilnehmerin geändert
Claudia Füßler
Freie Journalistin aus Freiburg, schreibt über Psychologie, Medizin und Wissenschaft.
Quelle: klasseKinder! 2018, Heft 4, S. 42-43
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